Donnerstag, 11. Februar 2016

Günther Grass "Hochwasser" [Rezension]




Betty: „Nein so etwas, und soviel, wißt ihr was ich daraus mache?“

Leo: „Na?“

Hochwasser: Ein Stück in zwei Akten.: Grass, Günter
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Betty: „Für jeden von euch ein Sonnenschirmchen.“

Leo: „Häh was?“

Betty: „Ja doch, Sonnenschirmchen, ein zwei drei vier fünf und wenn es reicht, für mich auch eins. Sechs Sonnenschirmchen.“

Jutta: „Du bist gut, Tante. Draußen regnet es und du redest von Sonnenschirmchen.“

Betty: „Man muß bei Zeiten vorsorgen, wird doch nicht ewig regnen.“

Noah: „Wer weiß.“

Betty: „Unsinn, meinst vielleicht, dem Regen wird es nie langweilig?“


(Aus: Grass „Hochwasser“, S. 32f.)


Günther Grass kennt man natürlich, das absurde Theaterstück „Hochwasser“ (1955, zweite Fassung 1963) nicht unbedingt. Zu mir ist es ganz durch Zufall gekommen: Eine Freundin hat mich durch die Bücher, die sie aufgrund ihres Umzuges aussortiert hatte, durchwühlen lassen. (Danke dafür!)

„Hochwasser“ ist Stück über Noah und seine Familie, die von Regen und steigenden Wogen im eigenen Haus eingesperrt ist und überraschenden Besuch vom Sohn der Familie bekommen. Trotzdem bleiben sie in der Gemeinschaft der Familie vereinsamt und reden in kurzen ungestelzten Sätzen ohneeinander miteinander – kommentiert von der Reiseratte Strich und der Laborratte Perle, die das Hochwasser auf dem Dach aussitzen.

Die Dialoge sind voller Satire, die die groteske Lächerlichkeit des Lebens zeigen, aber auch die vielschichtigen Beziehungen in der Familie. Immer wieder poppen absurde Unglaublichkeiten in der Handlung auf, die dem Stück einen ähnlichen tragisch-komisch bizarren Humor verleihen, der auch Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ oder „Die Physiker“ auszeichnet.

So versuchen Noah und Betty eine Kiste mit Noahs vermeintlicher Tintenfasssammlung vor dem steigenden Wasser zu retten. Als sie die Kiste aufbrechen entdecken sie darin jedoch weder Tintenfässer, noch die von Betty erhofften Fotoalben, sondern es entsteigt Noahs seit Jahren verreister Sohn Leo mitsamt seinem Freund Kongo, den Erwartungen auf eine freudige Aufnahme in der Familie und einem großen Ballen Fallschirmseide für die Tante. – Aus letzterer macht sie dann Sonnenschirmchen.

Fazit: Ein metaphysisches Niemandsland orientierungsloser Menschen im Kaleidoskop einer Naturkatastrophe – tragisch, traurig, komisch und wütend machend, mit einem Leo, den man (oder ich?) am liebsten zurück in seine Kiste stopfen würde! - Vielleicht werde ich das Stück bei Gelegenheit meinem Literaturkränzchen vorschlagen. Denn mehr darüber reden möchte ich auf jeden Fall!

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