Freitag, 26. Februar 2016

Milan Kundera "Jacques und sein Herr" [Rezension]


Jacques und sein Herr
Quelle: http://www.fischerverlage.de/buch/
jacques_und_sein_herr/9783596197514

Master: It´s utter nonsense! A Frechnman traveling through France on foot! Do you know wo it is who dared rewrite our story?

Jacques: An imbecile, sir. But now that our story is rewritten, we can´t make any changes in it.
 
Master: Death to all who dare rewrite what has been written! Impale them and roast them over a slow fire! Castrate them and cut off their ears! My feet hurt!

Jacques: Rewriters are never burnt, sir. Everybody belives them.

(Aus: Kundera, "Jacques and his Master", S. 69) 



Der Beginn der Geschichte von "Jacques und sein Herr" und mir liest sich märchenhaft ironisch verquert! Vielleicht auch nicht? Jedenfalls hatten wir einen ganz verhipsterten Start: Milan Kunderas tschechisches Stück nach einer französischen Vorlage habe ich in englischer Übersetzung bei einer Rucksackreise in einem israelischen Antiquariat in Jerusalem gekauft und werden jetzt darüber auf deutsch berichten. Toll, nicht?

Es ist ein frivoles Stück über die amourösen Erinnerungen, Intrigen und Anekdoten von Jacques, seinem Herren und der Gastwirtin, bei der sie auf ihrer Reise absteigen.


Vorangestellt ist meiner Ausgabe – ob das üblich ist, weiß ich nicht – ein Vorwort Kunderas, indem er betont, dass sein Werk keine Adaption von Diderots „Jaques der Fatalist und sein Herr" ist, sondern ein Spiel mit dem Thema, eine Hommage an Autor und Werk selbst in drei Akten.

Dies zieht sich auch als eines der Leitmotive durchs Stück: Kunderar spielt mit dem Stück und - wie von Diderot bereits begonnen - mit dem Leser. Die Frage nach dem kreativen Schaffensprozess wird sartirisch immer wieder aufgeworfen. Kundera bricht die Geschlossenheit der Präsentation auf der Bühne auf, kommuniziert mit dem Leser, spielt mit den Zeitebenen und vermischt Handlungsstränge in Sequenzen meisterhaft.Diderots Themen Willensfreiheit und Vorherbestimmtheit flechtet er dabei ein.

Doch so sehr er mit der Form spielt und Neues wagt, so sehr bleibt er mit seinem Frauenbild im 18. Jahrhundert verhaftet. Jacques Verhältnis zu Frauen wird ironisiert, sein Verständnis von ihnen nicht. Es bleibt ein Frauenbild, das beim Lesen weh tut.

Ein Exempel: 

Master: [...] He´s terrorizing her! She tries hard to fight him off, but since she´s afraid of being caught, she keeps her mouth shut. You scoundrel, you! You should be tried for rape! 

Jacques: I don´t know, sir, if I raped her or not. What I do know is that we had rather a good time, the two of us. All she asked me was to promise...

Master: What did you promise, you villain?

Jacques: Never to breathe a word of it to Young Bigre.

Master: Which gave you the right to go at it again,

Jacques: And again!

Master: How many times?

Jacques: Many times, and each better than the last.

 (Aus: Kundera, "Jacques and his Master", S. 28) 


Hier hat sich im Grunde seit der Schwängerung Evchens in Wagners "Die Kindermörderin" nicht viel bewegt. - Wollte sie´s? Wollte sie´s nicht? Wurde sie vergewaltigt oder hat sie nur Druck, Zwang und Angst nachgegeben? Nebensächlich! Gemacht hat sie es am Ende ja doch, das blöde Flittchen! Und so ein paar Tränchen müssen ja noch nicht heißen, dass es ihr nicht gefallen hat!

Ein Stück wie von Zeus geschrieben: Über echte Männerfreundschaft und viele auswechselbar vorbeiziehende attraktive Frauengestalten, deren Hintern man beurteilen kann, die man küssen kann, die man flachlegen kann, die man beliebig austauschen kann, die man schwängern kann, denen man jedes Recht ihren Liebhaber selbst auszuwählen verweigern kann, die man danach fallen lassen und dafür verachten und beschimpfen kann, dass sie mit einem geschlafen haben.

Hier finden sich Geschlechterrollen und Charaktere in der Tradition des bürgerlichen Trauerspiels, allerdings ohne jegliche Kritik an den Zuständen. 

Mein Fazit, ein ganz trauriges: Ein Potpourri verbrauchter chauvinistischer Wunschträume, die man im 21. Jahrhundert nicht mehr wirklich lesen will. Sehr, sehr schade! Wie Kundera mit "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" ja unbestritten bewiesen hat, ist er ein großartiger Autor - auch in "Jacques und sein Herr".

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