Dostojewski "Der Großinquisitor", S. 19f.
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Im Spanien des fünfzehnten Jahrhunderts kehrt Jesus auf die Erde zurück, heilt, vollbringt Wunder, wird von den Menschen erkannt, verehrt, von der Inquisition verhaftet und vom Großinquisitor verhört.
Und jetzt wird es richtig interessant: Der Großinquisitor zweifelt nicht daran - oder hält es zumindest für gut möglich - das er den echten Jesus vor sich hat, wirft ihm aber vor, durch sein Erscheinen die Ordnung der Kirche zu stören und der Menschheit durch seine Idee der Freiheit des Glaubens, die Option auf Glück zu rauben. Und Jesus schweigt.
Für den Großinquisitor steht auf der einen Seite der von Jesus gepredigte und gelebte Glauben von Freiheit, Freiwilligkeit der Liebe zu Gott und Verzicht auf irdisches für himmlisches Brot. Auf der anderen Seite steht die Kirche mit ihren Führern, die sich selbst "opfern" um der großen Masse die Qual der Entscheidungsfreiheit abzunehmen. Sie bringe irdisches Brot, Glück und Frieden für alle, nicht nur die "Starken" und "Auserwählten", die es schaffen, Jesus Beispiel zu folgen. Sie opfere sich selbst als Sünder, um die Gläubigen anlügen und ihnen sagen zu können, dass sie sündigen dürfen, wenn es die Kirche erlaubt. Für sie sei der Mensch ein Kind und als Rebell geschaffen, aber als Rebell auch ewig unglücklich. Das höchste Glück für den Menschen müsse es daher sein, im das Rebellentum auszutreiben.
Der Großinquisitor wirft Jesus vor, dass sein unabdingbares Festhalten an der Freiheit, Freiwilligkeit des Glaubens und Verweigerung des irdischen Brotes ein zu großes Vermächtnis für die schwachen, rebellischen und hungrigen Menschen war. Seine Hochachtung vor den Menschen sei eine zu große Bürde gewesen. Sein Glaube sei nur für die Starken gemacht, die es schaffen, für das himmlische auf das irdische Brot zu verzichten. Für den Großinquisitor ist Liebe jedoch die Anerkennung der Schwäche des Menschen und ihm seine Qual der Freiheit abzunehmen ein Akt dieser Liebe.
In den Augen des Großinquistors hat Christus es dem Papst überlassen, alles zu regeln und das könne er jetzt nicht mehr zurück nehmen. Die Kirche habe es nun übernommen, die Hungrigen mit irdischem Brot zu füttern. Damit schaffe sie es - im Gegensatz zu der himmlischen Speißung der Starken - auch die Schwachen satt zu machen.
Außerdem glaub der Großinquisitor Jesus überlistet zu haben: Er opfere sich als Wissender für die nichtwissende Masse, dafür könne es Jesus nicht wagen, ihn zu verurteilen!
Eingebettet ist die Parabel in Dostojewskis letztem Roman "Die Brüder Karamasov" (1878-89) und wird dem Novizen Aljoscha von seinem Bruder Ivan erzählt.
In Deutschland ist "Der Großinquisitor" als Einzelpublikation - zurecht! - sehr populär: Allein im 20. Jahrhundert wurde er sechzig Mal einzeln herausgegeben - in Russland selbst bis heute nur zwei Mal.
Interessanter Punkt am Rande - zumindest für mich als großer Schillerfan: Der Großinquisitor basiert auf der Figur des Großinquisitors in Schillers Drama "Don Carlos"(1783-87).
Fazit: Dostojewski selbst sagt, er habe die Idee zu "Der Großinquisitor" während seins ganzen Lebens in seiner Seele getragen. Und das merkt man! Eine durch und durch durchdachte Lifehack-Parabel um die große Frage: Lieber Frieden oder lieber Freiheit?. Eine Erzählung, über die man gar nicht aufhören kann nachzudenken! Ich habe sie jetzt bereits das zweite Mal gelesen und würde sie uneingeschränkt empfehlen!
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