Mittwoch, 2. März 2016

Lev Tolstoi "Herr und Knecht" [Rezension]


"'Geh doch mal hin, lieber Mann', sagte Nikita zu ihm 'und frage den Herrn, welchen Schlitten ich anspannen soll, den großen breiten oder den kleinen.'"
(Aus: Tolstoi "Herr und Knecht", S. 9)


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Quelle: http://www.anacondaverlag.com/Herr-und-Knecht
 
Nach Kundera noch einmal von Herren und Knechten! Dieses Mal vom profitgierigen Kaufmann Wasilij Brechunow, der aus Furcht einen Käufer beim Kauf eines Waldes nicht übervorteilen zu können, mit seinem gutmütigen Knecht Nikita und seinem braven Pferd in einen Schneesturm reitet. 

Tolstoi erzählt in "Herr und Knecht" eine zeitlose Parabel über Menschlichkeit und Prioritäten vor dem Schwurgericht der Vergänglichkeit - gekleidet in Tolstois Liebe zum Detail und zu den Eigenheiten seiner Charaktere.

Wenn man über "Herr und Knecht" sprechen will, empfiehlt es sich sehr, einen Blick auf Tolstoi selbst zu werfen.

1895 erschienen fällt die Erzählung in bereits in die Phase nach Tolstois innerem Umbruch, in der er sich sozialkritisch für die Bauern und auch ihre Tiere einsetzt. Beispielhaft dafür: Zum Veröffentlichungszeitpunkt ernährte sich Tolstoi bereits seit Jahren vegetarisch - aus moralischen Gründen gegenüber den Tieren, aber auch gegenüber der Bauern, für die Fleisch ein Luxusgut war und die von den raffinierten Speißen des Adels nicht träumen konnten. Mit zunehmendem Alter tratt er immer deutlicher für bedingungslose Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit ein. 

Diese Werte treten in der Erzählung deutlich, aber nie aufdringlich oder belehrend hervor. Ein Buch, ein Büchlein, zum gesunden Nachdenken!

Im Grunde lesen wir hier ein Tolstoi to-go! Mit achtzig Seiten deutlich schmaler als Tolstois Romane verfolgt die Erzählung gattungsbedingt auch nur einen Handlungsstrang. Der aber packt einem! Man muss einfach wissen, wie die Geschichte um Nikita und seinen Herren ausgehen wird! - Wer "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina" (eines meiner liebsten Lieblingsbücher) kennt, weiß nämlich, dass Tolstoi sehr wohl bereit ist seine Charaktere sterben zu lassen - aber auch bereit ist, sie zu einem glücklichen Ende zu bringen... 

Fazit: Lesenswert! Eine Geschichte, die langsam beginnt und einem zum Ende hin nicht mehr loslässt! Toll, wenn man sie liest - blöd, wenn man der Freund der Leserin ist und fünf Seiten vor Schluss nach Hause kommt und auf Aufmerksamkeit gehofft hat!

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