Samstag, 19. März 2016

Joseph Roth "Hotel Savoy" [Interview]


 Nach zwei Interviews zu fantastischer Literatur geht es im neusten Interview in eine ganz andere Richtung:

 
Hallo Anja, welches Buch liest du gerade?
 
"Hotel Savoy" von Joseph Roth 


Um was geht es da?

Der Hauptdarsteller Gabriel Dan kehrt nach fünf Jahren aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach dem ersten Weltkrieg zurück und steigt in einem polnischen Hotel nahe der russischen Grenze ab. Zunächst wohnt er alleine, später teilt er sein Zimmer mit einem Soldaten, einem anarchistischen Kommunisten. Es geht um Dans Leben, wie er mit Personen interagiert und Verwandte trifft.



Ist Roth selber Pole?

Roth ist aus Ostgalizien. Damals war das Österreich-Ungarn, heute Ukraine.
 

Wie bist du auf das Buch gekommen?

Ich habe schon andere Werke von ihm gelesen. Unter anderem für ein Literaturkränzchen "Hiob", aber auch "Radetzkymarsch" und die Fortsetzung "Die Kapuzinergruft". Außerdem war ich gerade zwei Tage in Berlin im "Hotel Savoy" und dachte: Das passt! Daher habe ich jetzt auch den passenden Kuli zum Buch! In Berlin war ich auch im Joseph-Roth-Café und habe mir dort noch ein Buch von ihm gekauft!


Welches?

"Die Legende vom heiligen Trinker" 


Das wollte ich auch mal lesen! In einem Seminar hat ein Professor uns mal einen Zeitungsartikel kopiert: "Alkohol & Literatur - Eine Auswahlbiographie". - Da habe ich das erste Mal davon gehört! - Weißt du, um was es geht?

Ich weiß auch nichts davon, außer, dass es um einen Trinker geht. Roth selbst hat ja auch sehr viel gesoffen! In seinem Exil in Paris war er teilweise so besoffen, dass er Sachen für den Abgabetermin nochmal schreiben musste, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, wo er sie hin hat! 


Nochmal zurück zum "Hotel Savoy": Du hast ja polnische Wurzeln - trifft er Polen gut?

Es geht eigentlich gar nicht um Polen, sondern um das Hotel als Metapher für die aus den Fugen geratene Nachkriegsgesellschaft, die langsam verfällt. Nach außen trägt es den schönen Schein der Belle Époque aus der Zeit vor dem Krieg, aber innen wohnen Soldaten, Bankroteure, Devisenschieber und leichte Mädchen. - Das Hotel hat sieben Stockwerke und je ärmer man ist, desto höher wohnt man. Der Ich-Erzähler wohnt im sechsten Stock, hofft aber auf die Ankunft eines reichen Verwandten namens Bloomfield.

Dabei leben die Menschen in einer Art Abhängigkeit vom Hotel: Gäste, die ihr Zimmer nicht mehr zahlen können, verpfänden ihre Koffer. Mädchen ziehen sich aus - Roth sexualisiert stark - und werden wie Fleisch behandelt. Ihnen allen steht es frei zu gehen, doch sie schaffen es nicht.


Erinnert dich das Buch an andere Werke?

Gerade bezüglich dieser Sexualisierung erinnert es mich an "Berlin Alexanderplatz" von Döblin oder an diverse Werke von Brecht, zum Beispiel "Die Dreigroschenoper". Im Bezug auf die Hilflosigkeit nach dem ersten Weltkrieg erinnert es mich an "Hinkemann" von Ernst Toller. 


Was gefällt dir daran?

Der Erste Weltkrieg interessiert mich schon aus rein historischer Perspektive. Außerdem habe ich, wie schon erwähnt, schon andere Bücher von Roth gelesen und lese ihn gerne immer wieder, auch wenn sich die Motive natürlich wiederholen, weil er so gut beschreibt. Er schreibt zwei Sätze und man steht plötzlich mit dem Erzähler beispielsweise auf dem Bauernhof und sieht, was er sieht und riecht, was er riecht! - Bei "Hotel Savoy" wird das noch durch die Ich-Perspektive des Erzählers unterstützt. 


Ist das eine Leseempfehlung?

Auf jeden Fall! - Es ist nichts Leichtes und kann die Stimmung drücken, aber man kann bei Roth - der ja in seiner Zeit schreibt - die Zeit richtig erfühlen. - Außerdem hat es nur 128 Seiten! Und es passiert trotzdem sehr viel! 


Welche Bücher von Roth würdest du außerdem noch empfehlen?

"Hiob"! Da mochte ich den Gegensatz von moderner Welt mit Kriegen, Reisen und Amerikakult auf der einen und das traditionelle Russland mit den russischen Juden auf der anderen Seite. - Wie man an Thema erahnen kann, war er im dritten Reich nicht beliebt. Seine Bücher wurden verbrannt und er selbst lebte im Exil in Paris. - Wenn man es etwas militärischer mag, würde ich "Radetzkymarsch" empfehlen. 


Wie weit bist du?

"Hotel Savoy" ist in Bücher aufgeteilt. Ich bin jetzt beim dritten von vier Büchern. 


Vielen Dank und noch ganz viel Spaß damit!

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