Mittwoch, 30. März 2016

William Goldman "Die Brautprinzessin" [Rezension]

"Ich bin dein Prinz und du musst mich heiraten", sagte Humperdinck 

"Ich bin Eure Dienerin und lehne ab", flüsterte Butterblume
Buchdeckel „978-3-608-93871-5
http://www.klett-cotta.de/buch/Weitere_Autoren/Die_Brautprinzessin/5198

"Ich bin der Prinz, und du kannst nicht ablehnen."

"Ich bin Eure sehr ergebene Dienerin, und ich habe eben abgelehnt"

"Weigerung bedeutet Tod."

"Dann tötet mich."

"Ich bin der Prinz und so übel doch auch wieder nicht - wieso willst du lieber tot sein als mit mir verheiratet?"

"Weil," sagte Butterblume, "zum Heiraten Liebe mit dazugehört, und das ist kein Zeitvertreib, auf den ich mich verstehe. Ich habe es einmal versucht, und es ging schlecht aus, und nun habe ich geschworen, nie mehr einen anderen zu lieben."

"Liebe", sagte Humperdinck, "Wer redet denn von Liebe? Ich nicht, da kannst du beruhigt sein. Hör zu: Für den Thron von Florin muss immer ein männlicher Erbe da sein. Das bin jetzt ich. Wenn mein Vater einmal stirbt, ist kein Erbe mehr da, sondern bloß noch ein König. Das bin dann auch ich. Wenn das eintritt, heirate ich und zeuge so lange Kinder, bis ein Sohn da ist. Du kannst mich entweder heiraten und die reichste und mächtigste Frau auf tausend Meilen im Umkreis sein und allen Leute zu Weihnachten Truthähne schenken und mir einen Sohn gebären, oder du musst sterben, unter furchtbaren Schmerzen und in allernächster Zukunft. Entscheide dich!"

"Ich werde euch nie lieben."

"Das würde ich auch nicht wollen, und wenn ich´s haben könnte."

"Dann wollen wir also heiraten."

aus: Goldmann, Die Brautprinzessin, S. 83.

Die schöne, nicht ganz so kluge Butterblume liebt den armen Westley und der arme Westley liebt die schöne, nicht ganz so kluge Butterblume. Soweit, so klassisch. Doch was wäre ein Märchen ohne Hindernisse: Der arme Westley fällt einem Piratenüberfall zum Opfer und die schöne, nicht ganz so kluge Butterblume nimmt nach langer Leidensphase die hochemotionale Werbung des jagdaffinen Prinzen Humperdinck, der aussieht wie ein Faß, an und wird nicht nur Brautprinzessin, sondern auch noch von einem hinterlistigen Sizilianer, einem bärenstarken Türken und einem fechtenden, vaterrächenden Spanier entführt.

Man merkt: Es wird romantisch - und zwar im doppelten Wortsinn. "Die Brautprinzessin" ist ein märchenhaftes Abenteuer, komplett durchwoben von ironischen Brechungen. Das ist auch schön am vollständigen Titel zu sehen:

"Die Brautprinzessin. S. Morgensterns klassische Erzählung von wahrer Liebe und edlen Abenteuern. Die Ausgabe der 'spannenden Teile'. Gekürzt und bearbeitet von William Goldman"- und, da ich die Jubiläumsausgabe von 2003 habe, wurde der Titel meiner Ausgabe noch erweitert um "Und das erste Kapitel der lange verschollenen Fortsetzung 'Butterblumes Baby'".

Gekürzt? Bearbeitet? Goldman? Oder jetzt doch Morgenstern? - Ich vergaß! Die Rahmenhandlung: 

William Goldmans Ich-Erzähler namens William Goldman bekommt als krankes, dem Betthüten verpflichtetes Kind, von seinem Vater den florenesischen Klassiker "Die Brautprinzessin" vorgelesen. Jahre später - beim ernüchternden Versuch, das Buch seinem eigenen Sohn näher zu bringen - entdeckt er: Sein Vater hat ihm nie das ganze Buch vorgelesen, sondern nur die spannenden Teile! Das mit Liebe und Abenteuer und all diesen wunderbaren Dingen! Dutzende Seite über florenesische Adelsgeschichte, die Hutsammlung der Prinzessin von Guldern und andere Unspannigkeiten hat er dabei übersprungen!

Goldmans (Also der Goldman im Buch, nicht der im Bibliothekenverzeichnis. Allerdings tut der Goldmanerzähler im Buch so, als ob der der Goldman im Bibliothekenverzeichnis wäre) Aufgabe wird klar: Er muss aus Morgensterns Klassiker das Buch seiner Kindheit holen - und genau das tut er auch. 

Immer wieder kommentiert er im Handlungsverlauf ("Hallo, ich bin´s!"), erklärt seine "Kürzungen", beschreibt die Emotionen seiner Kindheit, streut Diaolge mit seinem vorlesenden Vater ein, nimmt Handlung vorweg und bricht damit ironisch den Spannungsverlauf. - Eine für den geneigten Leser völlig ungewohnte Erzählstruktur! - Das ganze durchwürzt er ordentlich mit ironischen Dialogen, die mit allen gängigen Märchen- und Fantasyklischees spielen.

Klingt komisch? Ist es auch! Aber auch großartig! Und lustig! Und höchst amüsant!

Mein Fazit: Ein wunderschönes, raffiniertes Märchen, das sich selbst kein bisschen ernst nimmt. Figuren zum lieb Haben, Dialoge zum laut Mitlachen und Handlung zum überhaupt nicht vorhersehen! Leichte Kost, die furchtbar intelligent ist! Meine uneingeschränkte Leseempfehlung!

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